Eine Geschichte aus Island
Nun denn:
Ist Sonntag, kurz vor zwoelf, es regent schon seit einiger Zeit und ich sitze wartend am Kuechentisch; ...wartend, dass die Waschmaschiene ihren Vorgang beendet.
Habe einen guten Muskelkater vom Samstag und werde mich, sowie ich die Waesche aufgehangen habe, in einen warmen Pot in der Badeanstalt entspannen.
Freitag, gleich nach der Arbeit bin ich zu der Farm im Hundadalur (Neðri-Hundadalur) gefahren; die 60 entlang und dann kurz vor Felsendi links ab. Es wird jetzt schon recht frueh dunkel und ebenso spaet bricht der Tag an. Da es am naechsten Tag schon um acht Uhr los gehen sollte hielt ich es fuer besser schon am Abend vorher auf der Farm zu sein. Keine Frage, das Abendessen war hervorragend und nach dem ueblichen Small-Talk am Kuechentisch ging es dann nach oben ins Wohnzimmer. Chips, Popcorn und Fernsehen. „Nach einem langem, hartem Tag wie diesem ist so etwas genau das richtige zum relaxen“, meinte Maria entschuldigend auf die Niveaulosigkeit des Films anspielend. Ihr Mann nickte zustimmend. Der „Alte“ war schon in seinem Sessel eingenickt, die Tochter, uebrigens aussergewoehnlich huebsch, kraulte einen der kleinen Hunde.
„Gefaellt dir der Film nicht?“, fragte sie mich als ich aufstand. „Kenne ihn schon“, log ich, ging runter rollte die Matratze aus und schluepfte in meinen Schlafsack. Im Raum vor mir die Workdogs, die mich jedesmal erwartungsvoll ansahen, wenn ich das Zimmer betrat oder verliess. „Diese Hunde werden nicht gestreichelt, das sind Arbeitshunde“, hatte mir Maria bei meiner Ankunft erklaert.
Zum Fruehstueck gab es leicht gesalzene Haferflocken, aufgekocht in Wasser; ...und wer wollte mischte sich etwas Milch darunter. Hab es auch so gemacht, haette sonst eine Ewigkeit gedauert bis ich dieses heisse Zeug verputzt haette.
Waehrend des Fruehstuecks tauchten mehr und mehr Leute auf. Kaffee und Tee wurde reichlich ausgeschenkt. Ging dann auch ziemlich puenktlich los. Urspruenglich sollte ich mit in das Tal gleich hinter dem Hof doch im letzten Augenblick entschied Marias Mann, dass ich den Farmer vom Hof gegenueber begleiten solle. Rein in den Wagen. „Der Hund beisst sagte die Farmerin zu mir“. „Habe damit kein Problem“, antwortete ich. „Du nimmst es mir hoffentlich nicht uebel wenn ich mich wehre und zurueck beisse“. Der Junge aus Budardalur konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ist ein ziemlich flinker Bursche“, hatte mir jemand zugeraunt. „Der rennt die Berge rauf und runter wie ein Wiesel“.
Es ging also eines der Taeler hoch die in das wie auch immer es heissen mag Tal muenden. Auf der Kuppe angekommen teilten wir uns auf. Der Mann vom Hof gegenueber und der fixe Junge nahmen die linkeTalseite, waehrend ich mit seiner Frau und dem angeblich beissendem Hund die rechte Talseite entlang lief.
„Ohne Pferd bist du aufgeschmissen wenn du Schafe zusammen treibst. Geht nicht ohne Pferde“, hatte man mir in Akranes erzaehlt.
Fragte mich, waehrend ich der Frau mit dem Hund folgte, wie man denn zu Pferde an diesen steilen Haengen haette entlang reiten sollen. Immer wieder waren in den Haengen Washouts zu ueberspringen, die sich nun durch den einsetzenden Regen mit Wasser fuellten.
Die Frau ging oberhalb von mir entlang waehrend ich etwas nach hinten versetzt ebenfalls im oberen drittel des Hanges -jedoch der unteren Ecke- folgte.
„Wenn was sein sollte, benutz das Walky-Talky“, hatte man mir bei ueberreichen des kleinen gelben Geraetes gesagt.
Irgendwann konnte ich dann die Schafe vor uns sehen. Frau und Hund trieben diese in Richtung Talmitte nach unten um diese dann zum ueberqueren des Flusses zu zwingen; ...was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht wusste. Meine Aufgabe bestand darin, dass ich von meiner jeweiligen Position aus keines der Schafe entwischen lassen sollte.
Hangabwaerts springend sah ich dann wie sich zwei Wollklumpen aus der Gruppe trennten und wieder talaufwaerts liefen. Eines dieser Biester drueckte sich in eine Niesche zwischen den Felsen, um etwas Schutz vor dem nun auch noch einsetzendem Wind zu suchen, das andere stand unten an dem mehr und mehr anschwellendem Bach. Das Schaf in der Niesche wuerde sich fuer eine Weile nich ruehren, das andere jedoch schien weiter nach oben ziehen zu wollen. Als ich es erreichte, sah mich das gehoernte Vieh schraeg von der Seite an, liess mich naeher heran kommen und ueberquerte den Bach. „Scheisse, auch das noch“. Bin daraufhin noch ein Stueck weiter nach oben gelaufen, habe den Bach ueberquert, bin wieder an dieses Mistvieh heran und als ich es an den Hoernern packen wollte springt es wieder auf die andere Seite.
Bin dann etwas zornig an der gleichen Stelle hinter dem verflixten Wollknaeul her. Dummerweise war der Bach an dieser Stelle etwas tiefer. Irgendwann gab das Schaf dann ziemlich erschoepft auf, ich packte es am Horn und zog es hinter mir her in Richtung Strasse. Oles Vater hatte mich entdeckt, kam mit dem Pickup herangefahren und wir legten dieses erschoepfte Tier auf die Ladeflaeche.
Ich also wieder in den Hang, das zweite Schaf suchend. Zwischendurch kraechste etwas durch mein Walky-Talky. Ich verstand nichts und dachte mir, das ich mich einfach mal fuer alle Faelle melden sollte. „I am okay“, meldte ich. Irgendein rauschen erfolgte, verstehen konnte ich durch den immer staerker gewordenen Wind sowieso nichts und der Regen der auf meinen Hut prasselte machte eine Konversation mit meinem Team beinahe unmoeglich.
Die Frau mit dem Hund immer noch oberhalb von mir am Hang vermutend ging ich weiter.
Nach einiger Zeit erreichte ich dann ein weiteres, in dieses Tal mundendes Gebiet. Von der Frau mit Hund keine Spur. Hole das Funkgeraet raus um mal zu fragen wo sie und die anderen stecken. Nichts, das Geraet macht keinen Mucks. Stelle es aus und wieder an, wechsle den Kanal ...nichts.
Die Hose klebt an meinen Beinen, in den Schuhen steht das Wasser und der Wind blaest mich fast um. Nichts wie runter auf die Strasse und weiter maschieren. Der Wind kuehlt dermassen aus, dass mein, zu Beginn der Wanderung noch weiche, Hut inzwischen eine vom Wind fest geformte Form angenommen hat. Meine Haende sind inzwischen so steif, dass es mir schwer faellt das Funkgeraet wieder in die Tasche zu stecken.
Runter vom Hang und im Tal weiter nach unten maschieren. Unten angekommen konnte ich dann auf der gegenueberliegenden Seite,Schafe vor sich her treibend, die Frau mit Hund, ihren Mann und weit oben am Hang den fixen Jungen erkennen.
Sie hatten weiter oberhalb den Bach, der inzwischen zu einem recht reissendem Strom angeschwollen war, ueberquert. Mit Handzeichen signalisierte ich, dass mein Funkgeraet nicht funktioniert. Wissend, dass sich weit unten eine Bruecke zum ueberqueren des Flusses befindet, bin ich dann, die Haende in der Jackentasche, im schnellen Schritt, los gelaufen. Links von mir der Bach, vor mir ein Schaf.
Kurz vor der Bruecke hat dann Ole das Schaf auf geladen und ich bin wieder in den Hang, um mich in die Treiberlinie ein zu reihen. Waren so einige Tiere zusammen gekommen, die man vor ein paar Wochen bei dem ersten Treiben nicht auffinden konnte oder die sich zu weit oben in den Bergen aufgehalten hatten und nun mit herankommender Kaelte ins Tal gezogen waren.
Wie auch immer; wir naeherten uns der Farm und nicht nur mir war ziemlich kalt. An den Haengen und in der Naehe des Zaunes standen die Treiber um die Schafe am entweichen zu hindern. Warten war nun angesagt; warten, bis alle mit den Schafen an dieser Stelle eingetroffen waren.
Warten. Vollkommen durchnaesst warten; im kalten Regen stehen, den der scharfe Wind beinahe wagerecht in dich hinein blaest.
Meine Beine waren inzwischen so kalt, das ich kaum noch gehen konnte als schliesslich alle den Bach, den es nun noch zu ueberqueren galt erreicht hatten.
Verstaendlich, das die Schafe keine grosse Lust hatten diesen zu ueberqueren und nun etliche Ausbruchsversuche starteten. Versuchen los zu sprinten mit vollkommen ausgekuehlten Beinen...; ich kam kaum von der Stelle, hatte jedoch noch genuegend Power um den Tieren den Weg zu versperren.
Letztendlich ueberquerten die Schafe den tiefen Bach, wobei so einige von der Stroemung erfasst wurden und daher den einen und den anderen Farmer veranlassten ein kuehles Bad zu nehmen.
Etwas, wozu ich keine Lust hatte. Doch auch ich musste den Schafen folgen. Schuhe innen und aussen nass, die Beine in der klatschnassen Hose sowieso durchgefrohren. Die Stroemung war erstaunlich stark, das Wasser saukalt und an dieser Stelle recht tief...
Naja, was solls. Bin dann noch mit in den Stall, bibbernd wie so manch anderer und hatte dann etwas spaeter im Hausflur leichte Schwierigkeiten beim entkleiden. Meine Fuesse waren angeschwollen und die Jeans hatte die Innenseite der Oberschenkel ziemlich wund gescheuert. Nach der warmen Dusche gab es dann erst mal eine heisse Suppe, es wurden die nach so einem Tag ueblichen Geschichten erzaehlt, dazu Kaffee, suessen Tee und Schokoladenkuchen.
Bin dann so fast vor dem Fehrnseher eingeschlafen.
„War nett dass du uns beim Schafe treiben geholfen hast“, sagten der Farmer und seine Frau.
„Lasst was von euch hoeren, wenn wieder so etwas anliegt“, antwortete ich als ich mich heute morgen verabschiedete.
Die Islaender koennen uebrigens ihren Stammbaum mindestens bis zu Besiedlung Islands zurueck verfolgen und wenn ich Maria richtig verstanden habe, dann ist sie eine Nachfahrin einer, von den Wikingern vor tausend Jahren geraubten, irischen Prinzessin. Was man gerne glaubt, wenn man ihre Tochter sieht.
Schade, dass mein Interesse an der Landwirtschaft nicht ausreicht....
Ja, die Waesche ist fertig.
Werde sie jetzt aufhaengen und mich im Schwimmbad in so einen heissen Pot setzen
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